Die Verdammten der Taiga by Heinz G. Konsalik

Die Verdammten der Taiga by Heinz G. Konsalik

Autor:Heinz G. Konsalik [Konsalik, Heinz G.]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2010-09-29T04:00:00+00:00


Vier Tage mußte man im Haus bleiben, so lange tobte draußen der Sturm.

Putkin versuchte zwar, hinauszugehen, aber er kam schnell wieder zurück, mit Schnee überzogen und einem vereisten Gesicht, fluchte mit Ausdrücken, die keiner niederschreiben kann, und wärmte sich am Ofen wieder auf.

Vier Tage zusammen auf engstem Raum, um den Ofen hockend und gezwungen, sich immer anzusehen … wer hält das aus? Vor allem Nadeshna fiel Putkin auf die Nerven: Sie hatte ihr Talent für Schnitzen entdeckt, nachdem die Malerei mit der Maria und ihren ungleichen Brüsten einen vorläufigen Höhepunkt erreicht hatte. Jetzt saß sie am Ofen, hatte ein Stück Holz zwischen die Knie geklemmt und schnitzte daran herum. Der Form nach mußte es einmal eine menschliche Gestalt werden.

»Was wird das, mein Täubchen?« fragte Putkin noch zahm am zweiten Tag der Gefangenschaft. »Sitzt da mit einem Stück Holz zwischen den Beinen. Na na … läßt sich für diesen Ort nichts Besseres finden?« Das war schon ein Angriff, aber da man Putkin jetzt gut genug kannte, überhörte man es.

»Josef –«, sagte Nadeshna gleichgültig und säbelte weiter an dem Holzklotz.

»Was, bitte?« Putkin beugte sich vor. Sein struppiger Bart schien sich zu sträuben wie das Nackenfell eines wütenden Wolfes.

»Der heilige Josef.« Nadeshna hielt das Holz hoch. Tatsächlich, man konnte schon die Form erkennen: ein Mann, der sich auf einen Hirtenstab stützt.

»Nadeshna, geben Sie keine Antwort mehr«, sagte Katja ahnungsvoll.

»Der heilige Josef!« brüllte Putkin. »Und den klemmt sie sich zwischen die Beine! Semjon Pawlowitsch, lassen Sie sich vom heiligen Josef betrügen?«

Morotzkij wollte etwas sagen, aber Nadeshna kam ihm zuvor. »Wir haben keinen Kalender geführt«, sagte sie. »Aber ich habe nachgerechnet, daß wir über den Hausbau vergessen haben, daß Weihnachten gewesen ist. Ich will es nachholen … ich schnitze eine Krippe, und wir werden um sie herumsitzen, uns beschenken und uns allen Frieden wünschen. Igor Fillipowitsch, haben Sie etwas gegen den Frieden?«

Das war eine Frage, auf die Putkin schlecht mit einem unflätigen Gebrüll antworten konnte. Er schnaufte, lehnte sich zurück an die dicken, warmen Flußsteine, aus denen man den mächtigen Ofen gebaut hatte, und streckte die gewaltigen Beine von sich.

»Als wir uns kennenlernten, damals, auf der verdammten Lichtung, in die wir hineingefallen waren, hat jeder von uns sein Leben erzählt«, sagte er nach einer Weile Stille. Es war eine Ruhe, die sich auflud mit Spannung. »Setzen wir das fort, Freunde. Draußen wird es noch lange toben, ich kenne das. Ich habe einmal in einem Erdloch zehn Tage aushalten müssen, weil der Sturm mich sonst wie ein welkes Blatt übers Land getrieben hätte. Wir haben jetzt Zeit, uns weiter zu entblößen. Morotzkij, Professorchen mit blutigen Händen, der Tiere beobachtet, wie sie sich begatten: Wie stellen Sie sich Ihr Leben weiter vor?«

»Ich werde Nadeshna heiraten.« Morotzkij legte den Arm um die Schulter der zierlichen Lehrerin Abramowa. »Ich werde ein bürgerliches Leben führen. Ich habe keine blutigen Hände, wie Sie meinen, Igor Fillipowitsch. Ich habe meine Frau getötet in einem Rausch von Enttäuschung und tiefster seelischer Qual. Ich habe meine Frau geliebt. Nadeshna weiß, wie ich darunter gelitten habe, bis sie in mir einen neuen Lebensmut erweckte.



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